Was haben die Formel 1 und Supply Chain Management gemeinsam? Auf den ersten Blick scheinen die beiden Themen absolut nichts gemeinsam zu haben. Bei der Formel 1 wird so lange im Kreis gefahren, bis am Ende einer als Sieger geehrt wird. Und beim Supply Chain Management muss jeden Tag die gesamte Versorgungskette sichergestellt werden.

Was soll das alles miteinander zu tun haben?

Betrachten wir zunächst die Formel 1: Hier ist die Rundenzahl so ausgelegt, dass die Rennlänge von 305 km so gering wie möglich überschritten wird. Abhängig von der Streckenlänge ergeben sich somit eine Anzahl von Runden, die gefahren werden müssen. Das Ziel ist klar: Als erster am Ende der 305 km ankommen. Doch allein das Ankommen ist schon eine Herausforderung an sich. Ist das Material (der Rennwagen) gut genug konstruiert, um die Leistung überhaupt zu vollbringen zu können? Ist der Fahrer konditionell und mental in der Lage, einen Sieg einzufahren? Sind die richtigen Reifen gewählt worden? Ist das Fahrwerk perfekt auf die spezifische Strecke abgestimmt? Und, und, und …. Viele Parameter können schon am Anfang eine gute Positionierung und den Sieg am Ende verhindern.

Doch selbst wenn das Material, der Fahrer und alle anderen Parameter zu Beginn des Rennens perfekt passen, gibt es immer wieder Überraschungen während des Rennens, wie etwa plötzlich einsetzender Regen, Unfälle, oder Öl auf der Fahrbahn. Hier muss schnell reagiert werden, um sich an die neue Situation anzupassen. Ebenso kann ein wenige Sekunden dauernder Pit-Stop über Sieg und Niederlage entscheiden. Eine halbe Sekunde länger getankt als nötig, beim Reifenwechsel eine Zehntelsekunde verloren, und der vermeintlich sichere Sieg ist dahin.

Für die Siegerteams gelten folgende Grundprinzipien immer:
  1. Das Fahrzeug, der Fahrer und das gesamte Team müssen in „perfektem“ Zustand und hervorragend aufeinander abgestimmt sein.
  2. Die Strecke und das Fahrzeug müssen dem Fahrer und dem Team vertraut sein.
  3. Das Material muss auf die spezifischen Begebenheiten der Strecke abgestimmt sein.
  4. Die Kommunikation zwischen Fahrer und Team muss permanent einwandfrei funktionieren, genauso jeder Pit-Stop.
  5. Eine Überlastung von Mensch und Maschine führt oftmals zu Katastrophen…
  6. …ebenso eine Fehleinschätzung der Rahmenbedingungen.
  7. Nur das Team gewinnt ein Rennen, nie der Fahrer allein!
Und was hat dies jetzt mit Supply Chain Management zu tun?

Das Supply Chain Management hat die Aufgabe, den Betrieb optimal mit Material zu versorgen und die Kunden termingerecht und vollständig zu beliefern; nur wenn man zufriedene interne und externe Kunden hat, kann das SCM einen Sieg verbuchen. Folgende Faktoren spielen dabei ähnlich wie in der Formel 1 eine besondere Rolle:

Was ist überhaupt das Ziel und wann ist es erreicht?

Nehme ich an einem Formel 1 Rennen teil, oder sind es die 24 Stunden von Le Mans? Wann ist das Rennen zu Ende?

Was kauft der Kunde am Ende wirklich? Wann sind die internen und externen Kunden wirklich zufrieden? Reicht eine Termintreue von 95% schon aus oder müssen es nicht eigentlich immer > 99%?

Was wird benötigt, um das Ziel zu erreichen?

Sind Fahrer und Material, auf die Strecke ausreichend abgestimmt?

Ist die Technik zu 100% einsatztauglich?

Was muss das Produktionssystem und die Logistikkette leisten, um das gewünschte Ergebnis zu liefern? Wie gut müssen die unterschiedlichen Systeme und Teams zusammenspielen, damit ich meine Ziele auch jeden Tag erreiche?

Wie ist die Lieferstrecke und die gesamte Versorgungskette aufgebaut?

Welche Schikanen und Kurven sind gefährlich? Wo kann überholt werden, wo darf nicht überholt werden?

Welche Bereiche in der Versorgungskette sind kritisch? Wo müssen Sicherheiten bedacht und aufgebaut werden?

Welche Probleme können auftreten?

Wie funktioniert die Technik bei meinem Rennauto? Funktionieren alle Sensoren einwandfrei? Kann der Fahrer die Anweisungen richtig umsetzen?

Wie ist die Situation bei meinen Lieferanten und Spediteuren? Wie sieht es bei mir in der SCM-Organisation aus? Wie schnell und flexibel kann das SCM auf Störungen reagieren?

Wie wird in Problemfällen vorgegangen?

Was kann beim Pit-Stop schnell beseitigt werden?

Kann ich über Ferndiagnosen die richtige Rennstrategie managen?

Wie ist die Strategie und das Vorgehen bei Problemen? Mit welchen Maßnahmen werden Lieferausfälle ausgeglichen? Wie können diese verhindert werden? Wie spielen die Teams vom Lieferanten bis zum Kunden zusammen?

Welche Informationen werden wie ausgetauscht?

Haben wir genügend Informationen über unsere Sensoren und Computer? Kommunizieren Team und Fahrer genügend – nicht nur vor und nach sondern auch während des Rennens?

Wie werden Informationen in der gesamten Versorgungskette ausgetauscht? Sind diese für den Erfolg zweckdienlich?

Werden die (Miss-)erfolge analysiert?

Nehmen wir uns nach jedem Rennen genügen Zeit, um Probleme, Fehler auszuwerten, aber auch was ist besonders gut gelaufen?

Unterliegt die Supply Chain dem „Kontinuierlichen Verbesserungsprozess“? Wie wird systematisch aus Fehlern gelernt?

Wie aus diesem Vergleich ersichtlich ist, sind die Parallelen zwischen sportlichen Höchstleistungen und einer robusten und gleichzeitig flexiblen Supply Chain durchaus gegeben.

Die nun brennende Frage ist jedoch, wie ist das Vorgehen bei akuten Notsituationen wie der aktuellen Corona Krise? Kann damit überhaupt umgegangen werden?

Und auch da lohnt es sich, einen Vergleich herbei zu ziehen. Es gab viele tragische Momente in der Formel 1, die im Nachhinein für mehr Sicherheit gesorgt haben. Strecken wurden entschärft, Sicherheitsregeln wurden eingeführt, Fahrer wurden geschult, die Fahrzeuge wurden anders konstruiert, … . All dies war nur möglich, weil aus jeder Tragödie, aus jeder Niederlage, aber auch aus jedem Sieg gelernt und entsprechend reagiert wurde.

Heute stehen viele Unternehmen vor der Frage, wie der Betrieb wieder geregelt aufgenommen werden kann. Und merken jetzt, wie weit verzweigt und labil die Versorgungskette ist.

Wie kann sichergestellt werden, dass in einem global verstrickten Netzwerk die Produktion lokal nicht beeinträchtigt wird? Reicht eine simple Bevorratung, oder ist ein lokal produzierender Lieferant notwendig, ggf. zu höheren Kosten? Wie ist dieser Lieferant aufgestellt? Ist dieser frei von globalen Wertströmen, oder genauso abhängig? Welche Partnerschaften sind sinnvoll und müssen für den Ernstfall gepflegt werden? Welche Alternativrouten können eingesetzt werden? Sind die Prozesse robust genug ausgelegt, um auch in schwierigen Situationen schnell richtig entscheiden zu können?

Mit den richtigen Antworten auf diese und weitere Fragen kann eine dynamik-robuste, flexible Supply Chain aufgebaut werden, welche auch die größte Krise übersteht, einsatzbereit bleibt, und so einen echten Wettbewerbsvorteil schafft.

Sie sind soweit …

und wollen das Supply Chain Management flexibel und dynamikrobust aufstellen oder haben eine wirklich großartige SCM-Idee, die etwas Hilfe vertragen könnte?