Der Krisenmodus scheint das Team zusammenzuschweißen. Besonders auch Videokonferenzen als Teil der Homeoffice-Arbeitswelt funktionieren mit Teilnehmern, die sich bereits aus der realen Welt persönlich kennen, überraschend effizient; besonders natürlich auch deshalb, weil es sich häufig um konkrete, durchzusprechende Maßnahmen und Aktionspläne handelt. Außerdem zwingt das Medium jedem Teilnehmer eine einfache, aber wirksame  Höflichkeitsetiquette auf: das Aussprechen lassen. Dadurch wird jeder Teilnehmer gehört. Inhalte müssen nicht wiederholt werden.

Homeoffice funktioniert überraschenderweise in der Krise ganz ausgezeichnet. Wir meinen aber, das ist nur deshalb so, weil unser „Bindungsakku“ noch gut gefüllt ist.

Schauen wir doch einmal, wodurch Bindung entsteht: Bindung entsteht über die Sinne. In der virtuellen Welt entfällt das „sich riechen können“, das Sehen wird sekundär, dafür gewinnt das Hören an Gewicht. Bindung entsteht durch Gleichheit. In einer Videokonferenzen gibt es keine Sitzordnung; jeder Teilnehmer ist zunächst einmal gleich wichtig. Unterschiede in Habitus und Outfit sind weniger deutlich wahrnehmbar. Die anderen vier Grundlagen der Bindung kommen allerdings virtuell etwas kurz. Denn Bindung entsteht auch durch Zugehörigkeit/Loyalität, durch Bedeutsamkeit, durch Emotionen und durch Vertrautheit. Diese Elemente der Bindung virtuell positiv zu besetzen wird schon relativ schwer und würde ein erhebliches Maß an kreativem und innovativem Umgang miteinander erfordern.

Gerade deshalb sollten sich Führungskräfte und Mitarbeiter bewusst sein, dass die virtuelle Kommunikation eben nur genau das ist: nämlich virtuell. Sie ist ein Mittel zur Verständigung aus der Distanz und keineswegs ein Ersatz für menschliche Beziehungen. Gute Zusammenarbeit setzt aber eine gewisse Vertrautheit voraus und diese Vertrautheit entsteht dann, wenn sich Mitarbeiter und Führungskräfte gut kennen. Kennenlernen kann man sich aber nur schwer über digitale Medien, hier zählt das gemeinsame Erleben in der direkten Zusammenarbeit im Büro, beim lockeren Gespräch beim Essen oder dem Feierabendbier.

Wir wollen nicht vergessen, wie wichtig die sozialen und informellen Kontakte für ein erfolgreiches Unternehmen sind und auch in Zukunft bleiben werden – gerade auch in einer dynamischen und komplexen VUCA-Welt. Geht die persönliche Bindung zum Unternehmen, dem Arbeitsplatz und den Kollegen verloren, dann verlieren die Organisationen einen großen Teil Ihrer Leistungs- und Zukunftsfähigkeit. Wenn die Firma sich nur noch auf eine „Konferenzeinwahlnummer“ reduziert, ist diese auch schnell austauschbar, und für „anonyme Avatare“ macht kein Mitarbeiter eine Extrameile. Es sind gerade die informellen Gespräche am Rand von Meetings oder an der Kaffeetheke, die für eine Vernetzung im Unternehmen sorgen und das notwendige “Schmiermittel” im Team und zu Kollegen anderer Abteilungen herstellen. Umso wichtiger ist das auch für die Integration von neuen Mitarbeitern. In einer sich schnell und dynamisch verändernden Welt kommt es immer stärker auch auf Kreativität, Innovation und neue Impulse an. Der Schlüssel dafür liegt in persönlicher Zusammenarbeit und Gruppendynamik.

Was heißt das nun für die zukünftige Arbeitswelt?

Auch in den nächsten Monaten wird die Arbeitswelt noch mit Coronabeschränkungen und einem hohen Anteil an Homeoffice leben. Es gibt viele Vorteile, die in der Krise sichtbar geworden sind, vor allem aus Sicht der Mitarbeiter/innen: Weniger Reisezeit und -stress, flexiblere Vereinbarung von Beruf und Familie und mehr Ruhe, wenn ein konzentriertes Arbeiten zwingend erforderlich ist, das nicht in jedem Großraumbüro funktioniert – ehrlich gesagt aber auch nicht in jedem Homeoffice, wenn beispielsweise minderjährige Mitbewohner im Hintergrund marodieren. Darüber hinaus müssen Wohnortwechsel (z. B. wenn der Partner den Job wechselt) nicht zwangsläufig zu Arbeitgeberwechseln führen. Interessanterweise kann die räumliche Distanz auch zu mehr Nähe führen, wenn etwa der Kollege oder der Vorgesetzte in der Videokonferenz als Vater mit Kleinkind auf dem Schoß in einer völlig anderen Rolle auftritt. Er ist nicht nur eine Human Ressource, sondern ein Mensch. Gerade deshalb muss man darauf achten, in Zukunft die Teambindung sicherzustellen und den „Bindungsakku“ nicht leerlaufen lassen.

Für die Zeit nach Corona werden sich viele Unternehmen und ihre Führungskräfte dem Wunsch ihrer Mitarbeiter/innen nach Flexibilisierung von Arbeitszeit und -ort stellen müssen. Man wird einen passenden Mix aus Präsenzzeit im Büro, gemeinsamen Aktivitäten des Teams und Homeoffice finden müssen. Eine One-Size-Fits-All-Lösung wird es dabei nicht geben. Je nach Unternehmen, Team- und Mitarbeiterreifegrad, den zu erledigenden Aufgaben, der verfügbaren “digitalen” Infrastruktur und der jeweiligen Situation gilt es, für alle Beteiligten die beste Lösung mit klaren Regeln zu finden.

Nach unserer Erfahrung sollte folgender Punkt klar sein:

Diese neue, digitalisierte Arbeitswelt braucht moderne Arbeitskonzepte und ein hohes Maß an gegenseitigem Vertrauen. Verordnungen aus dem Industriezeitalter sind passé. Es kommt deshalb vor allem auf Unternehmensleitung und Führungskräfte an, die neu gestaltete Arbeitswelt zu einem Erfolgsmodell zu machen.

Sie sind soweit …

und wollen das Thema Arbeitszeiten und Mitarbeiterpräsenz flexibel und dynamikrobust aufstellen oder haben eine andere, wirklich großartige New-Work-Idee, die etwas Hilfe vertragen könnte?