Artikel von Christine Pelz, erschienen in der Braunschweiger Zeitung vom 24. Juli 2017

Nieren aus dem Drucker: Nichts ist unmöglich
Das glauben die Professoren des Zentrums für additive Fertigung der Ostfalia, das sich mit 3D-Druck befasst.

Andreas Ligocki hält eine schwarze Trillerpfeife in seiner Hand. Stinknormal sieht sie aus – und ist es doch nicht. Hergestellt hat sie ein 3D-Drucker: nicht zusammengesetzt aus mehreren Teilen wie an der Werkbank, sondern am Stück, inklusive der kleinen Kugel im Pfeifenkörper. Ligocki ist einer von 14 Professoren, die seit März im neugegründeten Zentrum für additive Fertigung (ZaF) der Ostfalia-Hochschule mitarbeiten. Hinter additiver Fertigung verbirgt sich nichts anderes als 3D-Druck. Klassische Werkzeuge oder Formen für die Herstellung gehören bei dem Verfahren der Vergangenheit an. Produkte werden direkt aus Computer-Modellen erzeugt.„Der Fantasie sind dabei keine Grenzen gesetzt“, sagt der 44-Jährige.
Gerade deswegen sind viele Aspekte zu berücksichtigen.„Schließlich wird der 3D-Druck alle Bereiche unserer Gesellschaft betreffen“, ergänzt Professor Christoph Haats, der genau wie Ligocki zum Vorstand des ZaF gehört. Viele Bereiche, so der 51-Jährige, werden umstrukturiert. Beispiel Zahntechnik: Schon heute sei es möglich, Kronen und Inlays binnen weniger Minuten in der Zahnarztpraxis herzustellen. Ob es den Beruf des Zahntechnikers in einigen Jahren überhaupt noch geben wird? „Das weiß man nicht, zumindest wird er sich deutlich verändern“, glaubt Haats und sieht darin weniger Gefahren als vielmehr eine Chance.
„Entwicklungsprozesse werden beschleunigt, Fehler werden minimiert, weil Dinge einfach früher erprobt werden können. Produkte werden nicht nur qualitativ besser, sondern auch deutlich individueller und das dann auch noch zu einem akzeptablen Preis.“ Dennoch bleiben viele Fragen offen, betonen die beiden Fachleute: Was wird die additive Fertigung mit uns anstellen? Wie verhält es sich mit Urheberrechten und Garantiefällen, wie wird sich die Industrie verändern, wie wird die ältere Generation damit umgehen, wie muss die Lehre darauf abgestimmt werden – um nur einige zu nennen.
Fakultäts- und damit fächerübergreifend werden die Professoren sich gemeinsam mit Studenten diesen Fragen widmen, werden an den verschiedensten 3D-Druckern der Ostfalia vieles auspro-bieren, werden nicht nur mit Schulen, sondern auch mit der Industrie zusammenarbeiten. Angelegt ist das Zentrum zunächst auf fünf Jahre – Fortsetzung wahrscheinlich, sagt Ligocki. „Wir müssen sehen, ob wir dann noch weiteres Potenzial haben oder die Industrie uns überholt. Ich rechne aber mit 15 bis 20 Jahren für das ZaF.“ Schließlich werde die Spielwiese immer größer.
Finanziert wird die zunächst mit Mitteln der vier Fakultäten, die am ZaF beteiligt sind. Haats spricht von geschätzten 100 000 bis 200 000 Euro im Jahr, die benötigt werden. Eingeworben wer-den sollen auch Drittmittel aus öffentlicher Hand beziehungsweise aus Industriekooperationen. Wenn alles gut läuft und größere Forschungsprojekte an Land geholt werden können, könne Wolfenbüttel in Norddeutschland zum maßgeblichen Zentrum in Sachen 3D-Druck werden. Ligocki:„Auch internationale Strahlkraft ist nicht ausgeschlossen.“
Für Privatleute übrigens, so Haats, lohnt sich 3D-Druck derzeit noch nicht – allenfalls für ambitionierte Modellbauer. „Die Geräte sind einfach noch zu kompliziert handhabbar.“
Ob wir in einigen Jahren wohl eine neue Niere aus dem 3D-Drucker bekommen können? „Nichts ist unmöglich“, sagt Ligocki. Schließlich gebe es auch schon lebende Zellen aus dem 3D-Druck.

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